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„Zwischen Isar und Abens“: Süße Nahrung für die Seelen: Wie früher in Zolling Allerheiligen und Allerseelen begangen wurde

Die Reihe „Heimatgeschichten“ hat einen neuen Namen erhalten: Unter dem Titel „Zwischen Isar und Abens“ veröffentlicht die Heimatpflege im Landratsamt Freising zukünftig in loser Reihenfolge Beiträge, die sich mit der Geschichte, der Kultur und dem Brauchtum im Landkreis Freising beschäftigen. Diesmal geht es um Süßes zu Allerseelen.

 

Nicht am Fest Allerheiligen, sondern zu Allerseelen gedachte man einst den Verstorbenen. Das fromme Andenken an die armen Seelen war allerdings mit unangenehmen Vorstellungen von einem quälenden Fegefeuer verbunden. Und so versuchte man die Leiden der Hingeschiedenen durch Gebet, Fürbitten und Almosen zu lindern. Letztere wurden häufig als süßes Gebäck an Bedürftige verteilt, das dann als Allerseelenzöpfe, Allerseelenwecken, Allerseelenstriezeln oder -kuchen in aller Munde war. Das schmackhafte Süßgebäck aus Hefe, Mürb- oder Brotteig erhielten auch Patenkinder vom Göd oder der Gödin. Dies berichtete bereits 1789 der Münchner Aufklärer Andreas Zaupser. Volkskundler bezeichnen die Allerseelenwecken als Gebildebrot. Damit sind zu Figuren oder Ornamenten geformte Gebäcke gemeint, die nur zu festlichen Anlässen hergestellt werden.

 

Der Allerheiligenopfergang der Zollinger Bäuerinnen

Für die Gemeinde Zolling sind zwei besondere Bräuche um den Allerseelenzopf überliefert. In der Zeit des Pfarrers Joseph Friedrich Danner – er stand von 1834 bis 1876 der Pfarrei Zolling vor – spielten die köstlichen Gebäckteile an Allerheiligen und zu Allerseelen eine große Rolle. Am 1. November schritten die angesehensten Bäuerinnen des Ortes in ihren Festtagsgewändern feierlich zum Hochamt und opferten im Gotteshaus ihre frisch gebackenen Allerseelenzöpfe den Verstorbenen. Die Prozessionsordnung war genau festgelegt: Den Anfang machte die vermögende Kratzerbäuerin, deren riesiger Hefewecken die Größe ihres Hofes widerspiegelte. Ihr folgten die übrigen Zollinger Landfrauen, die Wirtschaftskraft ihrer Anwesen bestimmte dabei die Reihenfolge. Nachdem der Mesner die Allerseelenzöpfe auf einem Tisch vor dem rechten Seitenaltar zu prächtigen Pyramiden arrangiert hatte, begann der Allerheiligengottesdienst. Nach dem Hochamt segnete Pfarrer Danner die Seelenwecken feierlich mit Wasser und Weihrauch.

 

Am Nachmittag folgten die Vesper und der Friedhofsumgang, damit begann der Gedenktag Allerseelen. Das Pfarrgesinde, also alle Mitarbeiter der Pfarrei, transportierte nun frohgemut die Hefezöpfe in den Zollinger Pfarrhof. Dort verspeisten die Ministranten, der Lehrer mit seiner Familie, der Hilfslehrer, der Mesner und der Totengräber die süßen Gebäckteile. Diese waren zuvor von den Pfarrhaushälterinnen dick mit Butter und Honig angereichert worden. Die Festgesellschaft trank dazu echten Bohnenkaffee, der damals als Luxusgut galt.

 

Seelen- und Körpernahrung für die Zollinger Bedürftigen

Am darauffolgenden Allerseelentag ging das Fest dann in seine zweite Runde: In einer Nachtschicht buken die beiden Pfarrhaushälterinnen, das Fräulein Mehringer und die junge Köchin Josefa Danner, wohl eine Nichte des Pfarrherrn, unzählige Seelenwecken. Hochwürden Danner hatte die Zutaten dazu gestiftet und veredelte das Backwerk durch die kirchliche Benediktion nach dem Allerseelengottesdienst. Diese Zöpfe waren nun für die Allgemeinheit bestimmt. Vor der Kirchentüre verteilte Josefa Danner die süßen Köstlichkeiten an Kinder und Bedürftige, die sich aus der näheren Umgebung nach Zolling begeben hatten. War der Korb geleert, kam prompt Nachschub aus der Küche des nahegelegenen Pfarrhofes.

 

Mit dem Ableben des Pfarrers Joseph Danner scheint der Zollinger Weckenbrauch 1876 eingeschlafen zu sein. Damit wurde am Allerseelentag nur noch der schmachtenden Seelen der Verstorbenen gedacht, die hungrigen Seelen der Lebenden labte fortan lediglich geistige Nahrung. Dies berichtete zumindest Ludwig Heilmaier, der ein halbes Jahrhundert später die Pfarrstelle in Zolling versah.

 

Seelenwecken Relaunch

Vor allem im Großraum Ingolstadt, in Niederbayern und der Oberpfalz hat sich das Brauchtum um das Seelengebäck gehalten oder es wurde wiederbelebt. Viele Bäckereien und Konditoreien nehmen dort um den 1. November die Süßspeise in ihr Sortiment auf. Aus den einfachen Hefezöpfen sind mancherorts üppige Naschwerke geworden: Als rautenförmige Laibe, Flechtgebäck oder Kuchen erfreuen sie mit Creme, Marmelade, Glasuren und Zuckerguss bereichert die Gaumen der Genießer.

 

In der Ingolstädter und Regensburger Gegend sind die Tortenspitzl bekannt: Die reich verzierten Kuchen entstehen dort in unzähligen Variationen. Spitzlmärkte finden unter anderem in Kelheim, Hemau und Dietfurt am 31. Oktober statt. Möglicherweise müssen sie heuer wegen der Corona-Pandemie abgesagt werden.

 

Im Landkreis Freising warten die Seelenzöpfe noch auf ihre Reanimierung. Vielleicht erinnern sich bald die hiesigen Bäcker und Konditoren an die einst so beliebten Allerseelenwecken. Sie wären eine beseelende Alternative zu den „treats“ an Halloween. 

 

Von Kreisheimatpfleger Bernd Feiler

Leckerei zu Allerseelen (Quelle: alp Bayern)

Tracht der Zollinger Bäuerinnen im späten 19. Jahrhundert (Foto Schwarz)

Pfarrhaus und Kirche in Zolling

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